von Harald Rieger
„Wer Testamente nicht abliefert, kann sich schadensersatzpflichtig machen“ – so lautet die Überschrift eines Beitrags in der Fachpresse (Urteilsmeldung vom 24.08.2022 der AG Erbrecht des Deutschen Anwalt Vereins).
Kommentiert wird dort ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 09.09.2021 (Az. 2 U 9/21). Dort lehnt das OLG Hamburg allerdings im konkreten Fall eine solche Schadensersatzpflicht ab.
Was ist nun richtig?
Tatsächlich ist jedermann verpflichtet, ein in seinem Besitz befindliches Testament unverzüglich an das Nachlassgericht abzuliefern, nachdem er vom Tod des Erblassers erfahren hat (§ 2259 BGB). Bei Verstoß kann sich grundsätzlich auch eine Schadensersatzpflicht ergeben.
Im konkreten Fall hatte der Erblasser seine zweite Ehefrau in einem notariellen Testament aus 2012 zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin (Tochter des Erblassers aus erster Ehe) hat einen Erbscheinantrag für sich gestellt mit der Begründung, dass der Erblasser seinerzeit dement und nicht mehr testierfähig gewesen sei.
Erst danach holte die Ehefrau Rechtsrat ein und übergab dem Nachlassgericht auf Anweisung ihres Anwalts zwei weitere Testamente aus 2006 und 2008, in denen sie ebenfalls als Alleinerbin eingesetzt ist.
Daraufhin nahm die Klägerin ihren Erbscheinantrag zurück und verlangte von der Ehefrau Schadenersatz in erheblicher Höhe; sie hätte den Antrag nicht gestellt, wenn sie von den vorherigen Testamenten gewusst hätte.
Das OLG Hamburg hält dieses Vorbringen zwar für plausibel. Es lässt die Schadensersatzklage aber an fehlendem Verschulden der Ehefrau scheitern; diese hatte die Ablieferungspflicht nicht gekannt und hätte auch nicht früher Rechtsrat einholen müssen.
Für die Ehefrau ging es also gerade nochmal gut aus.
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