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Immer wieder Thema: Pflichtteilsentzug




von Harald Rieger


In der anwaltlichen Praxis wird hin und wieder die Frage gestellt, ob im Testament eine „vollständige Enterbung“ möglich ist, ob also Pflichtteilsansprüche entzogen werden können.


Dazu gilt der Grundsatz, dass ein Pflichtteilsentzug im deutschen Erbrecht eine Ausnahme und nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich ist. Gemäß § 2333 BGB darf der Erblasser das Pflichtteilsrecht einer Person nur entziehen, wenn diese sich besonders schwerwiegendes Fehlverhalten hat zuschulden kommen lassen.


Voraussetzungen


Damit ein Pflichtteilsentzug wirksam ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Schwerwiegender Grund: Der Pflichtteilsberechtigte muss sich z. B. einer schweren Straftat gegen den Erblasser oder dessen Angehörige schuldig gemacht haben, gesetzliche Unterhaltspflichten vorsätzlich verletzt haben oder einen sittenwidrigen Lebenswandel führen.

  2. Klarstellung im Testament: Der Erblasser muss den Entzug in einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) ausdrücklich anordnen und den Grund konkret benennen.

  3. Kein Verzeihen: Hat der Erblasser das Fehlverhalten zu Lebzeiten verziehen, ist ein Pflichtteilsentzug unwirksam.


Aktuelles Beispiel aus der Rechtsprechung


Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 08.07.2020, Az. 3 W 40/20) bestätigte die Wirksamkeit eines Pflichtteilsentzugs. In diesem Fall hatte der Erblasser seinen Sohn enterbt, weil dieser wegen eines schweren Raubes zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Das Gericht entschied, dass der Pflichtteilsentzug gerechtfertigt war, da das Verhalten des Sohnes die Beziehung schwerwiegend belastet hatte und eine Teilhabe am Erbe für den Erblasser unzumutbar war.

Das Gericht betonte: „Die im Testament genannten Gründe für den Pflichtteilsentzug müssen nicht nur gesetzlich zulässig, sondern auch hinreichend konkretisiert sein.“


Wichtige Hinweise


Der Pflichtteilsentzug ist eine drastische Maßnahme und wird von Gerichten nur selten anerkannt. Fehlt eine präzise Begründung im Testament oder können die behaupteten Vorwürfe nicht nachgewiesen werden, ist der Entzug unwirksam. Zudem schützt die gesetzliche Regelung den Pflichtteilsberechtigten vor willkürlichen Entscheidungen des Erblassers.

Wer über einen Pflichtteilsentzug nachdenkt, sollte sich daher unbedingt von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen, um spätere Streitigkeiten bzw. Nachteile zu vermeiden. Die Rechtsprechung zeigt, dass nur ein sauber formuliertes und gut begründetes Testament vor Anfechtungen Bestand haben kann.

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