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Das zerrissene Testament

von Harald Rieger


Die Anfertigung mehrerer Originale eines handschriftlichen Testaments kann zu großen Problemen führen. So hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Köln im letzten Jahr mit einem Fall zu befassen, in dem die Erblasserin zwei gleichlautende Testamente verfasst und eines davon ihrer als Alleinerbin eingesetzten Haushälterin überlassen hatte.

Nachdem die Haushälterin mithilfe der ihr eingeräumten Bankvollmacht 50.000 € abgehoben hatte, suchte die Erblasserin einen Rechtsanwalt zur Beratung auf. In dessen Anwesenheit zerriss die Erblasserin das Testament, damit ihr Urenkel dadurch Alleinerbe werde, den sie zusammen mit ihrem vorverstorbenen Ehemann zunächst erbvertraglich bedacht hatte.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Urenkel einen auf sich lautenden Erbschein. Die Haushälterin wehrte sich dagegen und legte dem Nachlassgericht das in ihrem Besitz befindliche weitere Original des Testaments vor.

Zwar gilt bei Vernichtung der Testamentsurkunde das Testament als widerrufen (§ 2255 BGB). Was aber gilt, wenn nur eines der beiden gleichlautenden Testamente vernichtet wird?

Nach der Entscheidung des OLG Köln vom 22.4.2020 (Az. 2 Wx 84/20) genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht. Diesen Willen hatte das Gericht u.a. durch Zeugenvernehmung des Rechtsanwalts festgestellt, der die Vernichtung des Testaments in seinem Beisein bestätigte.

Da Mehrausfertigungen handschriftlicher Testamente oftmals vergessen werden, empfiehlt es sich dringend, einen Abänderungswillen durch Errichtung eines entsprechenden neuen Testaments klar zum Ausdruck zu bringen und sich nicht auf die Widerrufswirkung der Testamentsvernichtung zu verlassen.

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